Die Ausstellung lädt ein zu einer Entdeckungsreise durch das vielfältige Schaffen renommierter Künstlerinnen und Künstler aus verschiedenen Ländern Lateinamerikas. Die Werkauswahl vereint eine grosse Vielfalt von Medien: Gemälde, Skulpturen, eine Installation und Videoarbeiten.
Der argentinische Maler Guillermo Kuitca befasst sich mit architektonischen und geografischen Räumen, die er in eigener poetischer Interpretation ins Bild setzt. Dazu bedient er sich kartografischen Materials in unterschiedlichsten Massstäben, das von Landkarten und Stadtplänen bis hin zu Grundrissen historischer Gebäude reicht. Der Künstler bewirkt über Farbauswahl und Kontraste, durch Übermalung und Verwischung, dass eine Landkarte gleichermassen wie ein textiles Gewebe und ein Adergeflecht anmutet. Diese Vieldeutigkeit von Verortung und Imagination steigert Kuitca in einer Serie von Gemälden, bei denen jeweils Matratzen als Bildträger fungieren. So identifiziert der Künstler auch das Bett, oder genauer die Matratze, als ein weiteres Territorium, das er besetzt und bewohnt.
In den Skulpturen von Doris Salcedo aus Kolumbien werden die Wechselbeziehungen zwischen Orten, Dingen und Personen ebenfalls thematisiert. Stühle, Schränke und Tische werden ihrer ursprünglichen Nutzung entrissen, ineinander verschränkt, gestapelt oder gar mit Beton ausgegossen und zu neuen skulpturalen Gebilden geformt. Trotz oder gerade aufgrund ihrer Funktionslosigkeit wecken diese hybriden Möbelobjekte umso mehr Assoziationen an zerstörte Heimstätten und den Verlust der Heimat.
Auf dem Boden der Installation sind Abertausende von Münzen aufgehäuft, aus deren Mitte eine fragile, aus Hostien geformte Säule zu einer Decke aus Knochen emporsteigt. Die imposante Installation des brasilianischen Konzeptkünstlers Cildo Meireles kommentiert die tragische Geschichte der christlichen Missionierung der Indios. Der Betrachter kann den sakral anmutenden Raum nicht nur betreten, er wird regelrecht in das Werk hineingezogen und angeregt, Schritt für Schritt die miteinander verwobenen Sinnbilder zu identifizieren und die Zusammenhänge zu entschlüsseln. Das Werk gewinnt über die ursprünglichen Intentionen hinaus an Aktualität, indem der unmissverständliche Symbolgehalt von Knochen und Münzen auf eindringliche Weise an die heutigen innerpolitischen Konflikte Lateinamerikas und an die nach wie vor aus Raffgier verübten Genozide gemahnt.
Melanie Smith und Santiago Sierra präsentieren in ihren Arbeiten zu Mexico City unterschiedliche Sichtweisen auf die Millionenstadt: Die britische Künstlerin, die 1989 die mexikanische Metropole zu ihrer Wahlheimat erkoren hat, erkundet in ihrem Film Spiral City, 2002, die Unermesslichkeit dieses Ortes aus der Vogelperspektive und lädt zu einer kontemplativen Betrachtung ein. Hingegen dringt der Spanier Sierra im wörtlichen Sinne in das Zentrum des von Hektik geprägten urbanen Lebens vor und blockiert kurzzeitig mit einem querstehenden Lastwagen den Verkehrsfluss der Ringautobahn. So evoziert die Performance, indem sie die Autos zum Stehen bringt, ein Gefühl der Ohnmacht und Abhängigkeit.
Die bahnbrechenden Videoperformances der kubanischen Künstlerin Ana Mendieta handeln von der Präsenz des Körpers in seiner Vergänglichkeit. Die persönliche Erfahrung des Exils und der Heimatlosigkeit sind in hohem Masse prägend für ihre Werke, in denen sie die eigene Körperlichkeit erforscht und dabei einen Bezug zum Mythos und zu Ritualen herstellt. Auch der Kolumbianer Oscar Muñoz setzt sich mit Strategien der (Selbst-)Repräsentation auseinander und betont in seinem Werk Aspekte der Identitätsfindung wie auch der Eigenliebe. Diese Themen veranschaulicht er durch die Konzentration auf die Darstellung des Körpers und des Gesichtes, und zudem durch die Verwendung flüchtiger Materialien wie Atemdunst, Wasser, Wachs, Licht und Staub.
Kuratorin: Ioana Jimborean